CRC 1316 Transient Atmospheric Plasmas: From Plasmas to Liquids To Solids

Allgemeine Fragestellungen

Nichtgleichgewichtsprozesse sind die Grundlage für eine Vielzahl von Phänomenen in der Natur, wie z.B. Transport, Anregung von Atomen und Molekülen sowie Entanregung und Dissipation an Oberflächen. Der Nichtgleichgewichtscharakter von Plasmen ist aufgrund der hohen Energiedichte in diesen Systemen und der sehr selektiven Anregung von z. B. nur den Elektronen besonders ausgeprägt. Bringt man diese Plasmen in Kontakt mit Festkörpern oder Flüssigkeiten, kann der Nichtgleichgewichtscharakter auf andere Aggregatzustände übertragen werden. Ein hervorragendes Beispiel sind plasmachemische Prozesse, die direkt an katalytisch aktive Oberflächen gekoppelt sind.

Der Einsatz von Nichtgleichgewichtsplasmen bei Atmosphärendruck ist besonders interessant, da sie sich am einfachsten mit chemischen Standardprozessen kombinieren lassen. Der Nicht-Gleichgewichtscharakter dieser Plasmen kann durch große Gasströme oder durch kurze gepulste Anregung, die starke Kühlmechanismen gewährleistet, kontrolliert werden. Dadurch kann eine große Vielfalt an gewünschten Plasmachemien oder Emissionsmustern nach einer empirischen Strategie eingestellt werden. Allerdings wird jeder weitere Fortschritt durch das fehlende grundlegende Verständnis dieser Entladungen und ihrer Wechselwirkung mit flüssigen und festen Grenzflächen behindert, was zu vielen offenen Fragen führt:

  • Wie erreicht und erhält man eine stabile Nicht-Gleichgewichtsentladung bei Atmosphärendruck in einer Reihe von verschiedenen Gasgemischen?
  • Wie transportiert man die Spezies effizient vom Plasma zum zu behandelnden oder zu beschichtenden Objekt?
  • Welche chemischen Nicht-Gleichgewichts-Synthesewege gibt es für neue Materialien oder Spezies?
  • Wie erfolgt der Transfer von Spezies und Energie auf der Zeitskala von Nanosekunden?
  • Welche Rolle spielen gasförmige, flüssige, biologische und Festkörper-Katalysatoren im Kontakt mit diesen Plasmen?

Der Sonderforschungsbereich (SFB) 1316 "Transiente atmosphärische Plasmen - von Plasmen über Flüssigkeiten zu Festkörpern" widmet sich diesen Forschungsfragen durch die Kombination von Expertise in Plasmaphysik, Oberflächenphysik, Chemie, Biotechnologie und Ingenieurwissenschaften. Dieser SFB konzentriert sich auf transiente atmosphärische Plasmen auf unterschiedlichen räumlichen und zeitlichen Skalen für die Nanostrukturierung und Aktivierung von katalytischen Oberflächen, für die Kopplung zur Katalyse und Biokatalyse sowie für elektrochemische Prozesse. Aufgrund der starken Wechselwirkung zwischen diesen Plasmen und den einschließenden Grenzflächen werden spezielle in-situ-, Echtzeit- und in-operando-Methoden zum Einsatz kommen. Das Forschungsprogramm folgt drei aufeinander aufbauenden Phasen vom Erreichen eines grundlegenden Verständnisses zu Beginn über die optimale Integration von Plasma und aktiver Oberfläche bis hin zum Upscaling dieser Plasmen. Der SFB 1316 sucht nach optimalen Lösungen für Systeme zur Energieumwandlung (solare Brennstoffe, CO2-Harvesting, Photokatalyse), für den Gesundheitsbereich (Entfernung flüchtiger organischer Verbindungen aus Luftströmen), für die Biotechnologie (plasmagestützte Biokatalyse) und für die technische Chemie (Bottom-up-Synthese von kleinen Molekülen zu wertvollen Chemikalien).


Projektbereich A Transiente Plasmen

Projektbereich A befasst sich mit den Grundlagen von instationären atmosphärischen Nichtgleichgewichtsplasmen auf Zeitskalen zwischen Nanosekunden und Sekunden. Dies wird in Abbildung 1.8 veranschaulicht, indem die wichtigen Zeitskalen für die verschiedenen physikalischen Systeme beschrieben werden, wie z. B. die Plasmaanregung auf der Nanosekundenskala, die Umwandlung der elektronischen Anregung in ro-vib-Zustände auf der Nanosekunden- bis Mikrosekundenskala und das mögliche Quenchen durch Gasphasenkollisionen. Schließlich folgen die Spezies den Strömungsmustern zu den begrenzenden Oberflächen auf einer Zeitskala von Millisekunden bis Sekunden. Diese Fragen müssen durch die Kombination von Fachwissen auf dem Gebiet der Physik instationärer Plasmen, der Atom- und Molekularphysik, die die Anregung und Entanregung abdeckt, sowie der Nichtgleichgewichtschemie und der Oberflächenphysik der Wechselwirkung dieser Spezies mit z. B. Katalysatoroberflächen beantwortet werden.

Die Projekte A1, A2, A3 behandeln die elektronische, Schwingungs- und Rotationsanregung der Spezies in ns-Plasmen und HF-Plasmen. Projekt A4 befasst sich mit der Plasmaanregung durch variable Wellenformanpassung in HF-getriebenen Plasmastrahlen unter Verwendung mikrostrukturierter Elektroden. Die Projekte A5 und A6 befassen sich mit der Übertragung von ns-Plasmen auf dielektrische Barriereentladungen entweder als 2D-Filamententladungen oder als steuerbare Plasmapixelarrays. A7 befasst sich mit dem Transfer der Anregung einschließlich der Wechselwirkung mit katalytischen Oberflächen. A8 und A9 befassen sich mit der Modellierung der Nicht-Gleichgewichtschemie und dem Transport von Spezies.


Projektbereich B - Plasma-Schnittstellen

Projektbereich B "Plasma-Flüssigkeit-Festkörper-Grenzflächen" befasst sich mit den Grundlagen nicht-gleichgewichtiger transienter atmosphärischer Plasmen auf räumlichen Skalen zwischen Nanometern und Millimetern. Dies wird in Abbildung 1.9 veranschaulicht, indem die wichtigen Längenskalen für die verschiedenen physikalischen Systeme beschrieben werden, wie z. B. nanometergroße reaktive Oberflächenstrukturen, die katalytische Reaktionen auf oxidierten Metallen oder funktionalisierten Kohlenstoff-Nanoröhren auslösen, bis hin zur Bildung von Plasmastreamern und Plasmen in Flüssigkeiten auf der Mikrometerskala. Dies wird in Plasmaarrays oder bei der plasmaelektrolytischen Oxidation in Flüssigkeiten auf die Millimeterskala ausgedehnt. Diese Systeme müssen durch die Kombination von Fachwissen in der Oberflächenphysik, in der Physik der Plasma-Flüssigkeits-Wechselwirkung und in der chemischen Technik angegangen werden.

Projektbereich B kann in zwei Arten von Plasmagrenzflächen unterteilt werden, die Plasma-Festkörper-Grenzfläche und die Plasma-Flüssigkeit-Festkörper-Grenzfläche. Plasma-Festkörper-Grenzflächen werden in Projekt B1 zur plasmainduzierten Bildung von katalytischen Nanostrukturen behandelt, Projekt B2 kombiniert diesen Prozess mit externer Laserheizung. In Projekt B3 werden alternative Oberflächen auf der Basis von funktionalisierten Kohlenstoffnanoröhren erforscht, indem das plasmainduzierte Aufpfropfen reaktiver Gruppen mit der anschließenden Atomlagenabscheidung des Katalysators selbst kombiniert wird. Diese Systeme werden in Projekt B4 durch die theoretische Unterstützung des Austauschs angeregter plasmagenerierter Spezies mit katalytischen Oberflächen ergänzt. Plasma-Flüssig-Fest-Grenzflächen werden in Projekt B5 am Beispiel der plasmaelektrolytischen Oxidation (PEO) behandelt, die Modellierung dieser Prozesse in Projekt B6 und schließlich die schnelle Analyse der Reaktionschemie an diesen Grenzflächen in B7. Die Perspektive der Biokatalyse wird in Projekt B8 untersucht.


Projekte im SFB 1316